Und wieder hat es Zuwachs in meinem "Heim für mißhandelte Objektive" gegeben hat: Ein Canon EF 200mm 1:1,8 L USM. Es sieht aus, als hätte es in seinem Leben sämtliche aktiven Kriegs- und Krisengebiete live dokumentiert. Zudem hat sich auf einer der inneren Linsen ein kleiner Fungus angesiedelt, den hoffe ich aber mit Rainer's Hilfe noch wegzubekommen.
Die Linsen sind, bis auf den kleinen Fungus und einiges an Staub im Inneren (und auch ein paar Pilz- Abkömmlinge) sauber und vor allem kratzerfei! Für mich beweist das meine Theorie, dass Kratzer auf den Linsen nicht von harten Einsätzen kommen, sondern von Schusseligkeit, Unachtsamkeit oder einfach vom arbeiten ohne Gegenlichtblende. Lasst Letztere einfach immer drauf, einen besseren Schutz gibt es nicht! Das Bajonett macht den Eindruck, als wäre das Objektiv oft in Eile und mit etwas Gewalt an die Kamera gesetzt worden, die Enden der Führungen sind richtiggehend aufgebogen. Dem entsprechend hat es einiges an Spiel an der Kamera.
Nach dem Auspacken habe ich zuerst eineinhalb Stunden lang geputzt, denn so wie es war, hätte ich Angst gehabt dass es meine Kamera mit irgendwas infiziert... zuerst habe ich alles mit Druckluft (Achtung: Mit Filter, Wasser- und Ölabscheider) entstaubt, Aufkleber und Kleberreste mit Isopropanol und den "normalen" Schmutz mit Mikrofasertuch und Glasreiniger entfernt. Die Linsen mit Zeiss- Reiniger und -Tuch (Das kommt danach in die Wäsche). Zum Glück hat es am bajonettseitigen Ende den üblichen kleinen Einschubfilter, so dass der Dreck da drauf war und nicht auf der hintersten Linse. Ich komme mit meinen dicken Fingern immer schwer ran, wenn die Hinterlinse tiefer im Tubus liegt. Die riesige Gegenlichtblende war stark eiförmig verbogen, zum Glück ist sie aus Alu, daher konnte ich sie relativ einfach mit den Händen wieder rund formen.
Den "vorher" Anblick möchte ich so schnell wie möglich wieder vergessen, daher habe ich bewusst KEIN Foto gemacht. So sieht es NACH dem putzen aus:
Ganz gut zu erkennen ist auch der Glaspilz, der sogenannte Fungus, man sieht die "Hauptpflanze" mit ihren kleinen Ablegern. Dem wird es hoffentlich bald an den Kragen gehen.
Aufgrund der Form, so dick und dabei relativ kurz, ist das 1,8/200 etwas unhandlich oder zumindest gewöhnungsbedürftig. Ich habe mir auf die Schnelle einfach eine lange Schnellwechselplatte von dem Manfrotto 393 Teleneiger drangebaut, als Handauflage und mehr oder weniger als Griff, so geht das gleich viel besser. Leider hat die Stativaufnahme nur ein einziges Schraubenloch mit einem mickrigen 1/4 Zoll Gewinde, so dass ich beim Tragen sicherheitshalber immer einen Finger unter die kleine weiße Platte einhakle.
Eigenartigerweise riecht das 1,8/200 trotz meiner umfangreichen und Ritzen-tiefen Putzaktion immer noch recht streng nach modrigem feuchtem Keller. Ich fände es interessant zu wissen, ob das
zufällig der Eigengeruch von dem Fungus ist? Oder hängt das nur in dem Gummi und in dem Samt des Bajonetts und der Gegenlichtblende? Wer weiß wie Fungus riecht -> please Email me :)
Mit dabei war ein hübscher Alukoffer, wobei ich den Verdacht habe, dass die diversen Koffer oder Köcher die Hauptursache für Befall mit Glaspilz sind. Ich glaube, die Dinger sind ausschließlich
für den Transport gedacht und NICHT zur dauernden Aufbewahrung. Außer vielleicht, man legt ein paar Silica-Gel Säckchen mit hinein.
Die Narben bleiben natürlich, aber wenn es schon mal nicht mehr klebt und glitscht dann ist die Haptik gleich eine ganz andere. Bleibt noch der Fungus. Und der Gummi am dicken Teil des Tubus ist teilweise lose, aber das sollte das geringste Problem sein, das ist ja nur eine Art Handauflage.
Jetzt wurde es spannend für mich, einige Fragen blieben auch nach mehrmaliger Internetrecherche unbeantwortet:
1. Ist so ein altes Teil überhaupt bei Blende 1,8 (digital-) verwendbar? (warum hat Canon beim Nachfolgermodell die Blende auf 2,0 reduziert?)
2. Ist der Autofokus schnell- und treffsicher genug? Meine Motive sind ja so gut wie nie statisch, ganz im Gegenteil...
Pünktlich zur Ankunft des EF 200mm 1:1,8 L USM hatte das bis dato wunderschöne Spätsommerwetter ein jähes Ende gefunden, es regnete wie aus Gießkannen. Ha, das passt aber, denn für was brauche ich ein 1,8er Tele bei Sonnenschein. Lieber gleich mal den Härtetest im ziemlich dunklen "Indoor", mit ISO 4000 und 1/640s an der 1D-IV, natürlich Blende 1,8. Zum Glück sind meine pelzigen Models immer für jeden Quatsch zu haben :)
Danach bin ich doch noch kurz raus in den Garten, habe mich dabei aber so postiert, dass es nicht auf das Objektiv regnet. Ich wollte den Fungus nicht auch noch giessen... die Indoorbilder sind etwas rauschig, da ich aufgrund des hohen Dynamikumfangs ein kleines bißchen unterbelichtet und nachträglich aufgehellt habe. Hie und da gibt es auch Bewegungsunschärfe, 1/640 Sekunde ist für meine zappeligen Pelzis einfach zu lang.
Hier also die üblichen ersten Testbilder:
Also ich muss schon sagen, ich bin in mehrfacher Hinsicht positiv überrascht und sehr zufrieden *juhu*. Die Schärfe finde ich mal richtig toll, umso mehr, wenn man die riesige offene Blende bedenkt, der Autofokus ist Canon-USM-typisch sehr schnell und meine zickige 1D Mark-IV hat keine Einwände gegen das alte Objektiv.
Natürlich darf der klassische Test mit den Pferdebildchen nicht fehlen, gestern bei wirklich dunklem Wetter in der Reithalle gemacht, an der 1D Mark-IV, ISO 4000 bis 6400, 1/800s., Blende (natürlich-) 1,8, keine AF- Feinkorrektur. Der Autofokus trifft sogar für Blende 1,8 genau genug, wenn(!) das AF Feld auf einer Stelle mit ausreichend Kontrast und/ oder Struktur liegt. In den dunklen Bereichen der Reithalle oder an Stellen mit Gegenlicht gab es schon einigen Ausschuss. Das ist aber ein anderen Thema.
Mein Fazit: Ich bin total happy mit meinem Ebay- Fang. Meine oben genannten Bedenken haben sich als unbegründet erwiesen, das Teil ist nicht nur cool sondern auch absolut brauchbar. Es wird für immer bei mir bleiben :)
Wer meine Begeisterung für das 1,8/200 nachvollziehen kann und ebenfalls auf der Suche nach einem Exemplar ist, kann das gerne über diesen Link machen: Ein Canon EF 200mm 1:1,8 L USM auf Ebay suchen. Ein Klick auf den Link spart die Sucheingabe, kostet Euch nicht mehr, und ich bekomme eine gigantischeProvision :)
Der Rainer hat es inzwischen super hinbekommen, mein 1,8/200L zu reinigen. Obwohl bereits 5 Linsen vom Pilz befallen gewesen waren, sieht man kaum noch Rückstände. Nur die riesige Frontlinse, die
kein Glas, sondern ein Fluoritkristall ist, hat er sich nicht getraut auszubauen. Die zerbricht dabei gerne mal, sagt er... und kostet als Ersatzteil schlappe 2000€. Sicherheitshalber hat er den
Pilz mittels Ozonbehandlung abgetötet, falls noch was da ist kann es also nicht mehr weiter wachsen. Und es stinkt auch nicht mehr so :)
Mein 1,8/200L funktioniert nach wie vor perfekt, und die Pilz-Silhouette ist jetzt aus den Bokehlichtern verschwunden. Wenn ich um diese Jahreszeit im finst'ren Wald oder in dunklen Reithallen
unterwegs bin, dann merke ich erst so richtig was Blende 1,8 bedeutet - statt ISO 6400 und höher bin ich mit dem 1,8/200 halt bei lockeren ISO 3200.